13. JUNI 2024

Über das Phänomen Bed Rotting

Bed Rotting

Sicher hattest du schon einmal einen Tag, an dem du am liebsten im Bett liegen geblieben wärst. Manchmal fällt uns das Aufstehen schwer und wir möchten unser kuscheliges Bett eigentlich gar nicht verlassen. Ein neuer Trend in den sozialen Medien gibt uns jetzt offiziell die Erlaubnis, am Wochenende genau das zu tun:  Beim Bed Rotting sollen wir aus Selbstfürsorge einfach einmal einen Tag im Bett verbringen und nichts tun. Aber hält das radikale Gegenprogramm zum Arbeitswahn auch, was es verspricht? Wir haben den neuen Gesundheitstrend aus den sozialen Medien einmal genauer unter die Lupe genommen. 

 

Was ist Bed Rotting?

Selfcare ist eines der Worte, die in den sozialen Medien gerne grossgeschrieben werden. So soll auch der neueste TikTok-Trend Bed Rotting unsere mentale Gesundheit fördern und unsere Schlafqualität verbessern. Und diese Form der Selbstfürsorge ist tatsächlich kinderleicht, denn beim Bed Rotting (frei übersetzt etwa "einfach im Bett herumgammeln") geht es um maximales Entspannen durch minimalen Einsatz. Mal einen Tag absolut nichts tun und die gesamte Zeit im Bett zu verbringen ist der Gegenentwurf der Generation Z zu dem gesellschaftlichen Druck nach immer grösserer Produktivität und Leistung. Stundenlang im Bett ausruhen klingt am Ende einer anstrengenden Arbeitswoche tatsächlich manchmal nach einer paradiesischen Vorstellung. Vor allem junge Leute behaupten auf TikTok unter dem Hashtag Bed Rotting, dass das Faulenzen im Bett das Zeug zum Selfcare-Trend hat. Anstatt dir also auch am Wochenende ein Tagesprogramm zu überlegen, kannst du einfach zwei Tage im Bett entspannen. Scrollen auf Social Media statt Wocheneinkauf im Supermarkt, Binge-Watching auf Netflix statt Verabredungen mit Freunden: Kann es wirklich ein Akt der Selbstfürsorge sein, den Rückzug ins Bett anzutreten und die Welt da draussen einfach mal sich selbst zu überlassen? 

Wie lässt sich der aktuelle TikTok-Trend für mehr Selbstfürsorge erklären?

In unserem Alltag stehen wir häufig unter dem Druck, viel leisten zu müssen. Auf der Arbeit, in der Schule oder Zuhause bei der Familie geben wir ständig einhundert Prozent. Und genau dieser permanente Leistungsanspruch, den wir an uns selbst stellen, kann zu übermässigem Stress führen und psychische Probleme begünstigen. Nichtstun kann schnell mit Schuldgefühlen verbunden sein – denn müssten wir unsere Zeit nicht besser nutzen?! Dabei sind Anzeichen von wenig Schlaf und Erschöpfung ein normales Signal unseres Körpers, dass wir verlorene Energiereserven wieder auffüllen sollen. Müdigkeit erinnert uns an das Nachholen von Schlaf und es kann sogar kontraproduktiv für die Gesundheit sein, dieses Symptom zu ignorieren. Dass Bed Rotting als Trend so begeistert, verwundert daher kaum. Endlich haben wir einmal die Erlaubnis dazu, uns die Decke über den Kopf zu ziehen und können entspannt so viel Zeit im Bett verbringen, wie wir wollen. Maximale Erholung ist nicht länger mit Scham verbunden, und das fühlt sich für viele Menschen an wie ein Befreiungsschlag. 

entspannen im Bett

Die Vorteile vom Faulenzen im Bett

Tipps für mehr Entspannung kommen manchmal aus unverhoffter Quelle. Statt Achtsamkeitsübungen, Meditieren und Tagebuchschreiben verweisen Anhänger des Faulenzens im Bett auf ein virales TikTok-Video der Schlafwissenschaftlerin Vanessa Hill. Wie die Expertin in einem Interview erklärt: Mehr Selbstfürsorge ist mit einer besseren Gesundheit verbunden, und daher steigere Bed Rotting unser körperliches und geistiges Wohlbefinden. Der entscheidende positive Faktor, den Bed Rotting auf den Schlaf ausübt, scheint neben dem körperlichen Aspekt der Entspannung vor allem ein psychischer zu sein. Die Schlafforscherin Vanessa Hill erklärt, dass es unserer Psyche guttue, wenn wir uns aktiv eine Auszeit erlauben, ohne Schuldgefühle zu hegen, dass wir nicht produktiver sind. Der mentale Stress, der dadurch wegfalle, könne zu einer besseren Schlafqualität führen. Für ihre wissenschaftliche Meinung gibt es viele begeisterte Likes. Doch andere Experten warnen vor einer Romantisierung des Phänomens und stehen dem Trend kritisch gegenüber. 

Smartphone im Bett

Psychische Probleme durch Nichtstun?

Bei der Glorifizierung eines lazy day im Bett vergessen einige, dass die erzwungene Inaktivität Konsequenzen hat: Wie sollen wir uns den ganzen Tag beschäftigen, wenn wir möglichst wenig Zeit ausserhalb des Bettes verbringen sollen? Und so wird oft übersehen, dass mit Bed Rotting oft eine Nutzung von digitalen Medien verbunden ist. Dieser erhöhte Medienkonsum kann sich negativ auf unser Wohlbefinden auswirken. Nicht nur kann er das eigene Gehirn darauf programmieren, ständiges Entertainment zu erwarten und eine verkürzte Aufmerksamkeitsspanne zu entwickeln. Mental gesehen fühlen sich viele Menschen gestresster, wenn sie öfter einen Blick auf Smartphone oder Tablet werfen. Ausserdem können sich gerade junge Menschen schuldig fühlen, wenn sie sich mit Influencern in den sozialen Medien vergleichen. So schlägt Jessica Gold, Assistenzprofessorin im Bereich Psychiatrie an der Washington University School of Medicine, Alarm: Einige vergässen, dass Bed Rotting Zeichen einer depressiven Erkrankung sein könne. Wenn sich jemand plötzlich sozial zurückzieht und seine gesamte Zeit im Bett verbringen will, könne dies möglicherweise auf eine psychische Erkrankung wie eine Depression hinweisen. 

Wie wirkt Bed Rotting auf den Schlaf?

Ab und zu im Bett zu faulenzen ist erst einmal nicht verkehrt. Jedoch steckt hinter dem TikTok-Trend möglicherweise eine Bedrohung für einen gesunden Schlafzyklus. Vor allem Schlafforscher bemängeln, dass es sich negativ auf unseren Biorhythmus auswirken kann, wenn wir mehr als einen oder zwei Tage ausschliesslich drinnen verbringen. Damit unser Schlafrhythmus im Gleichgewicht bleibt, benötigen wir den Kontrast von Sonnenlicht am Morgen und Dunkelheit am Abend. Auch ist es wichtig, dass sich Phasen von Aktivität und Inaktivität im Tagesverlauf abwechseln. Bleibt dies aus, kann dies den Biorhythmus durcheinanderbringen. Möglicherweise fällt uns das Wachsein schwerer als sonst und wir leiden tagsüber unter ständiger Müdigkeit.  

Wie kann ich meine Zeit im Bett mit mehr Selfcare verbinden?

Bed Rotting bekommt zwar gerade Millionen Aufrufe, jedoch brauchen die meisten Leute kein tagelanges Herumliegen, um mehr Entspannung zu finden und ihren Schlaf zu verbessern. Vielmehr ist allgemein ein stressfreier und entspannter Lebensstil wichtig, um langfristig bei guter Gesundheit zu bleiben. Wenn du dich beim Entspannen weniger schuldig fühlst und den Trend in Massen geniessen kannst, ist das ausgedehnte Faulenzen im Bett aber auch nicht schädlich. 

ausruhen auf dem Sofa

 

Folgende Tipps helfen dir dabei, Selbstfürsorge und Faulenzen im Bett in Einklang zu bringen:

1. Obwohl dein Bett gemütlich ist, ist es besser, während des Tages auf der Couch zu entspannen, um einen langen Mittagsschlaf zu vermeiden. Ein kurzer Power Nap erfrischt, doch exzessives Schlafen am Tag kann deinen Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinanderbringen.

2. Es ist wichtig, eine harmonische Mischung aus Ruhephasen und Aktivität im Verlauf des Tages zu finden. Wenn du später en Grossteil des Tages im Homeoffice sitzt, kann etwa Sport am Morgen ein toller Ausgleich sein.

3. Betrachte Bed Rotting als Ausnahme und begreife dein Bett vor allem als einen Ort der Erholung während der Nacht. Auf diese Weise unterstützt du dein Gehirn dabei, schneller einzuschlafen, da es begreift, dass das Bett ausschliesslich mit Schlaf verbunden und kein Ort für Wachsamkeit ist.

 

 

Bildnachweise:
Syda Productions / canva.com
Maridav / canva.com
halfpoint/ canva.com
shapecharge / canva.com